Robert Perels

Robert Perels wurde 1937 in Wien geboren. 1939 flüchtete Perels‘ Mutter mit ihm aus Wien. Sie kamen bis nach Marseille. Mutter und Sohn wurden in mehreren Lagern interniert, bevor sie 1942 auf einen Deportationszug nach Auschwitz kamen. Perels‘ Mutter warf ihn bei einem Aufenthalt aus dem Zug. Gemeinsam mit einem vierzehnjährigen Mädchen versteckte sich Perels in französischen Wäldern, bevor sie zu einem Kloster kamen. Perels lebte anschließend bei einer Bauernfamilie, bevor er 1944 mit der Hilfe eines jüdischen Kinderhilfswerks in die Schweiz flüchten konnte. Dort wurde er adoptiert und lebte in Zürich. 1947 emigrierte er zu seiner Tante nach Palästina. Zum Zeitpunkt des Interviews lebte Perels in Israel.

Vollständiges Interview

Teil 1
Teil 2
Art des Interviews:
Video
Ort des Interviews:
Tel Aviv, Israel
Sprache(n) des Interviews:
Deutsch
InterviewerIn:
Pauline Michel
Interviewdauer:
01:38:37
Bestand:
LBI Jerusalem
Sitzungsanzahl:
1
Datum des Interviews:
12. Dezember 2018
Robert Perels
Geburtsdatum:
7. August 1937
Geburtsort:
Wien, Österreich
Fluchtroute
1939 Wien, Deutsches Reich
1939 München, Deutsches Reich
1939 Brüssel, Belgien
1940 Paris, Frankreich
1940 Marseille, Frankreich
o. J. Frankreich
1943 Voiron, Frankreich
1944 Schweiz
1944 Dürrenäsch, Schweiz
o. J. Zürich, Schweiz
Lebensstationen
Hier sind in chronologischer Reihenfolge Orte erfasst, an denen sich die interviewte Person im Laufe ihres Lebens aufgehalten hat.
Wien, Österreich
Marseille, Frankreich
Flüchtlingslager Montélimar, Montélimar, Frankreich
Camp de Rivesaltes, Rivesaltes, Frankreich
Marseille, Frankreich
Sammellager Drancy, Drancy, Frankreich
Frankreich
Voiron, Frankreich
Dürrenäsch, Schweiz
Zürich, Schweiz
Haifa, Israel
Jerusalem, Israel
Tel Aviv, Israel
Givataim, Israel
Organisationen
Israelische Verteidigungsstreitkräfte - Israel
Ausbildung
bis 1947
Pflichtschule
Volksschule
Zürich, Schweiz
Pflichtschule
Volksschule
Israel
höhere Schule
Gymnasium
Israel
Beruf/Beschäftigung

in chronologischer Reihenfolge

Lehrer
Erziehung, Bildung
Israel
Tel Aviv
„Spricht über“ sind besonders interessante Passagen in den Interviews, die von der Redaktion des Austrian Heritage Archive zusammengestellt wurden.
Flucht nach Frankreich
Vom Flüchtlingslager ins KZ Rivesaltes
Flucht aus dem KZ und erneute Verhaftung
Rettung vor der Deportation nach Auschwitz
Als Fünfjähriger allein in Frankreich
Leben bei einer französischen Bauernfamilie
Flucht in die Schweiz mit Hilfe der Résistance
Hilfe eines Schweizer Justizbeamten
Emigration nach Palästina
Beziehung zu Österreich heute
Flucht und Spracherwerb

Teil 1

PM: Das ist das Interview mit Robert Perels, interviewt von Pauline Michel. Dabei ist Tamar Kogman. Heute ist der 12. Dezember 2018, und wir befinden uns in der Wohnung von Robert Perels.

 

[Übergang/Schnitt.]

 

Können Sie uns von Ihrer Kindheit erzählen?

RP: Was meinen Sie mit Kindheit? Ich war ein sehr kleines Kind. Ich bin geboren zwei Jahre, bevor der Krieg begann, [19]37, Ende [19]37, und…Abmeldungsbefehl von Wien bekamen wir schon im Juni [19]39. Also, da war ich knapp zwei Jahre alt und die ganzen Jahre…bis [19]45 teilweise mit meiner Mutter allein, und so habe ich die Zeit verbracht.

PM: Was ist da genau passiert?

RP: Vor dem Krieg, der Gauleiter von Wien war Adolf Eichmann [Anm. der Red.: Eichmann war nicht Gauleiter, sondern Leiter der im August 1938 eingerichteten „Zentralstelle für jüdische Auswanderung“], und seine policy war, die Juden raus aus Wien, aus Österreich. Und wir bekamen also einen Abmeldungsbefehl am 30. Juni [19]39…verlassen Österreich innerhalb von 24 Stunden. Das ist grob. Und meine Mutter hat den ersten Zug genommen, von Wien Richtung München…viele Personenzüge gab es damals schon nicht mehr, einen Monat vor dem Krieg…und von dort ist sie weiter nach Belgien. Sie wollte nach Spanien, über Frankreich natürlich. Aber sie hat kein Visum gehabt, und wir sind für sechs Monate in Brüssel steckengeblieben, bis meine Mutter ein Visum nach Frankreich bekam. April [19]40 kam die Bestätigung, dass sie nach Frankreich hereinkann. Sie nahm den ersten Zug, kam nach Paris, aber nachdem sie nicht in Paris bleiben wollte, und die beste Möglichkeit nach Spanien war mit der Fähre von Marseille nach Barcelona, und nicht mit dem Zug von Paris nach Madrid…der Grund war sehr einfach: Wenn man mit dem Zug kommt und man hat keine Bestätigung, wird man gleich zurückgeschickt. Mit der Fähre bleibt man für ein paar Wochen in einer Quarantäne, und da hat man die Zeit, eine Bestätigung zu erreichen. Wir kamen nach Marseille. Wir waren nicht die Einzigen, die auf die Fähre hinaufwollten. Hitler ist rein, mit dem war das erledigt…keine Fähre, keine Grenzen, keine Züge, nichts. Wir sind einfach steckengeblieben in Marseille, ohne Arbeit, ohne Quartier, und wir waren natürlich nicht allein. Marseille ist eine Stadt mit 300[.000] oder 400[.000] Leuten, die dort wohnen, und zu der Zeit waren es noch ungefähr zwei Millionen Flüchtlinge…Leute aus Paris, aus Nordfrankreich…nicht nur Juden natürlich.

Und nach einer Weile hat man uns in ein Flüchtlingslager gebracht, Montélimar, außerhalb der Stadt. Da war auch kein Unterschied zwischen Juden und Nicht-Juden, am Anfang. Wir bekamen einfach ein Bett in einer Baracke, etwas zum Essen, und damit war die Sache erledigt. Aber die Behörden wollten ja…konnten nicht einfach zwei Millionen Menschen einfach auf die Straße lassen. November…bis Februar 1941 waren wir im Flüchtlingslager. Ich weiß die Verhältnisse, weil damals gab es noch die Post, und meine Mutter hat ein paar Briefe nach England geschrieben, an eine Verwandte von ihr, und hat ihr erzählt, wo wir sind, unsere Anschrift und so weiter. Und sie bekam auch Briefe aus England, obwohl in dieser Zeit schon praktisch Krieg zwischen England und Deutschland war. Und Deutschland [meint: Frankreich] war schon total unter deutschem Regime, auch Vichy war praktisch vielleicht eine Autonomie, aber die Behörden gehörten den Deutschen. Aber die Post hat es noch geschafft…wegen dem weiß ich ganz genau, was sie gemacht hat, wo wir wohnten, welche Baracke, Straße und so weiter.

 

1/00:05:49

 

Im Februar 1941 hat man getrennt…Selektion…und die Juden sind vom Flüchtlingslager in ein KZ-Lager in Südfrankreich, Rivesaltes…das waren zwei KZ-Lager, eines im Westen, eines im Osten. Wir waren im Osten…die Ostpyrenäen…und das heißt Rivesaltes. Im Westen war Gurs, auch ein KZ-Lager, und das war natürlich nicht wie ein Flüchtlingslager. Ein Flüchtlingslager ist einfach ein Platz, wo man wohnt, aber man kann herein, man kann heraus. Man ist frei. KZ-Lager ist etwas anders, da kommt man nur rein, und von dort kommt man nicht mehr heraus. Wir waren im KZ-Lager genau ein Jahr, vom 27. Februar [19]41 bis am 20. Februar [19]42. Ich habe alles…laut den Dokumenten. Ich war noch zu klein, um zu sagen, ich kann mich erinnern. Und wenn ich einen Termin sage, das ist ganz klar, dass ein kleines Kind, das drei oder vier Jahre alt ist, kann nicht sagen, das war vor 70 Jahren in dieser Stunde. Aber Dokumente sagen alles. Und die ganze Zeit, wo ich in Frankreich war, bis [19]45, habe ich Dokumente. Auf dem Dokument steht ganz genau, dass Frau Margarethe Perels und Robert Perels, soundso, waren im KZ-Lager soundso. Später…nachher, sieben Monate später, wurden wir nach Drancy gebracht. Was Drancy ist, wissen Sie?

PM: Wollen Sie es nochmal erzählen?

RP: Drancy war ein Platz neben Paris. Das war kein Lager, das war ein Fußballstadion. Dort konnten zwischen 30.000 und 50.000 Leute hinein. Und die Deutschen haben das Stadion genutzt, um die Juden nach Drancy zu bringen. Daneben waren die Zuglinien, weil die Leute haben damals keinen Wagen gehabt, wenn sie Fußball sehen wollten. Und die Deutschen haben den Zug für andere Zwecke benutzt. Und am 11. September waren wir in Drancy Richtung Auschwitz. Ich habe natürlich ein Dokument, ganz genau, und ich konnte nicht verstehen…was heißt, ich bin in einem KZ-Lager von bis? Es war doch nicht ein Gericht, dass wir zwölf Monate bekommen und nachher werden wir befreit. Und keiner konnte mir sagen, warum wir von einem KZ herausgekommen sind. Nur vor sechs oder sieben Jahren, als die Franzosen – und auch nachher die Schweizer Behörden und Deutschland auch – die Archive fürs Publikum geöffnet haben, habe ich gefunden in Perpignan, eine kleine Stadt neben Rivesaltes, den Grund, warum wir aus dem KZ rauskamen. Es steht deutlich, dass wir im KZ-Lager soundso waren, von bis, an dem Tag als meine Mutter geflohen ist aus dem Lager. Meine Mutter war damals 34 Jahre alt, ich war fünf Jahre alt, viereinhalb. Es steht ganz genau…nur eine Frage habe ich gehabt: Wie ist es möglich? Eine Frau mit einem kleinen Kind aus einem KZ-Lager mit Stacheldraht, Strom, Wächter, Hunde, und alles zusammen…raus.

 

1/00:10:12

 

Wir sieben Monate, von Februar bis September, frei. Und meiner Mutter ist es gelungen, nach Marseille zu kommen. Es ist gelungen, weil…als sie aus dem Lager heraus ist, hatte sie natürlich keine Dokumente und kein Geld und nichts. Und nach Marseille kann man mit dem Bus oder mit dem Wagen kommen, oder mit dem Zug, aber für den muss man Geld haben. Also, keine Antwort…weiß ich nicht.

PM: Das heißt, sie ist mit Ihnen geflohen aus dem Lager?

RP: Mit mir, ja! Weil es steht ganz genau, sie und ich waren im KZ-Lager von bis. Und nachher, in einem anderen Dokument, das ich gefunden habe…das kann ich Ihnen nachher zeigen…steht deutlich, wir waren im KZ-Lager von bis, als wir…in Französisch évadé, weggeflohen sind vom Lager.

PM: Das heißt, von Rivesaltes ist Ihre Mutter mit Ihnen wieder nach Marseille geflohen?

RP: Meine Mutter ist mit mir nach Marseille. Dort war sie schon frei und hat Arbeit gefunden, in einem Gemüsegeschäft. Und sie hat geschrieben, wie das Leben im KZ war. Im KZ hat sie gearbeitet. Das heißt, für was sollen die Leute arbeiten, wenn sie keinen Lohn bekommen? Nur einfach…arbeitest du nicht, bekommst du nichts zum Essen…ganz einfach, willst du essen, musst du arbeiten. Dann bekommst du einen Schein, mit dem kannst du Essen bekommen. Und meine Mutter hat in einer Wäscherei gearbeitet. Was heißt Wäscherei…den Behörden war es wurscht, ob die Insassen sauber oder schmutzig sind, das ist klar, aber die Wäscherei war einfach ein Geschäft und bekam die Wäsche von den Bauern aus der Umgebung…gebügelt, sauber. Und einmal in der Woche kommt jemand mit einem kleinen Wagen, bringt schmutzige Wäsche, nimmt die saubere Wäsche und verteilt sie und bezahlt nachher die Behörden. Und dafür hat meine Mutter einen Schein gehabt, und mit dem bekam sie zum Essen. Das hat sie geschrieben, als sie schon in Marseille war. Und in Marseille hat sie gearbeitet in einem Gemüsegeschäft. Und wir hatten ein Zimmer irgendwo, nicht weit vom Hafen, in der Altstadt von Marseille, im vierten Stock…einfach ein Zimmer. Sie hatte die Anschrift, und ich habe es dort besucht, es ist ein altes Haus und heute überhaupt, 70 Jahre später. Und drinnen…es waren vier Seiten, in der Mitte war ein kleiner Hof, und dort könnten die Kinder drin sein, ohne Angst, dass sie auf die Straße gehen. Und es waren ein paar Kinder dort, und der Besitzer vermietet einfach per Zimmer. Toilette war natürlich nicht im Zimmer drinnen.

Sieben Monate waren wir in Marseille. Eines Tages…ich habe das auf einem Dokument…11. September, es war vielleicht Samstag oder Sonntag, ich habe es nicht kontrolliert…meine Mutter hat nicht gearbeitet, und ich gehe mit ihr auf die Straße, sie wollte vielleicht einkaufen oder so etwas…Geld hatte sie, weil sie gearbeitet hat. Und eine Barriere…die Gendarmerie, hielten jeden auf: „Dokumente!“ Meine Mutter hatte natürlich keine Dokumente. – „Ja“, sagte sie, „ich wohne in der Schweiz, ich habe es zu Hause vergessen.“ – „Alles schön und gut“, sagte der Gendarm, „aber jetzt ist Krieg! Ohne Dokumente geht man nicht spazieren.“ Er hat uns eingesperrt, nachher kommt einer und hat nach ein paar Minuten entdeckt, dass wir vom KZ-Lager davon sind…also gefährliche Leute. Noch an dem Abend wurden wir nach Paris geschickt, Avenue Foch, glaube ich, heißt das, wo die Gestapo war. Und sie haben uns sofort nach Drancy geschickt.

 

1/00:15:11

 

In Drancy bekommst du nur eines: Ein Platz auf den Steinbänken, ohne nichts…kein Wasser, keine Toilette, nichts…nichts bis am Morgen, die ganze Nacht. Am Morgen…ich habe das Dokument, es steht deutlich da, Transport Nummer soundso, 31, 11. September [19]42. 8 Uhr 55 ist der Zug von Drancy Richtung Auschwitz. Die Liste von den Leuten, von den Insassen…meine Mutter erzählte mir: „Ja, wir fahren spazieren mit dem Zug. Es wird sehr schön sein.“ Obwohl sie ganz genau wusste, was der Zug bedeutet. Im Wagen waren ungefähr 80 Leute. Die Menge von so einem Wagen ist…ein Lastwagen…ist so groß wie ein halber Autobus. Das heißt, wenn in einen Autobus 40 Leute reinkommen, normalerweise in so einen Zug können vielleicht zwanzig Leute. Aber die Deutschen haben eine andere Rechnung. Wenn in einen Bus 40 Leute reinkommen, in einen halben Bus, in so einen Lastwagen, kommen 80 Leute herein. Das heißt, es ist eng. Im Wagen waren noch ein paar Kinder. Ich war fünf Jahre alt. Und was machen Kinder? Schreien, lachen…wir fahren doch spazieren. Und die Leute sind nicht so gut gelaunt, das ist klar. Und meine Mutter schreit mich an: „Setz’ dich nieder!“ Sie saß an der Seite, über ihr war ein kleines Fenster. Und der Wagen ist voll mit Leuten. Die meisten von den Leuten stehen einfach. Und der Zug fährt nicht eine Stunde, sondern zwei, drei Tage.

Nach ein paar Stunden bleibt der Wagen stehen. Ich habe nachgerechnet, ungefähr…nicht weit von der Stadt Metz in Nordfrankreich. Neben meiner Mutter saß ein Mädchen, vierzehn Jahre oder fünfzehn Jahre oder zwölf Jahre…ich weiß nicht ganz genau. Hilda war ihr Name. Und meine Mutter kannte sie von Wien, weil sie wohnte nicht weit von uns. Und das Mädchen verlangt von meiner Mutter: „Gib’ mir deine Hände. Ich will zum Fenster rauf, um zu sehen, zu schauen, warum wir stehengeblieben sind.“ Sie kommt herauf, und sie sieht Stacheldraht, aber locker, hat das auf die Seite genommen und sagt meiner Mutter: „Weißt du was, heb’ mich noch ein bisschen. Ich werde runterspringen.“ Sie hat natürlich keine Ahnung gehabt, was passieren wird, wenn sie runterspringt. Aber sie weiß ganz genau, und meine Mutter wusste auch ganz genau, wohin der Zug fährt. Sie springt runter und schrie zu meiner Mutter: „Schmeiß’ den Robert gleich hinunter!“ Meine Mutter hat daran natürlich nicht gedacht. Meine Mutter hatte auch keine Zeit…ein paar Sekunden, mich runterzuwerfen…ja oder nein? Meine Mutter warf mich hinunter. Ein paar Sekunden später, der Zug fährt weiter. Wir bleiben allein, ein fünfjähriges Kind, ein Mädchen, vierzehn Jahre alt.

Der Zug…das Dokument habe ich bekommen im Archiv in Auschwitz. Ich war ein paarmal mit Schülern nach Polen. Da war ich viele Male in Auschwitz. Jetzt zurückgekommen bin ich nur vor einer Woche. Da war ich mit einer Schule, Gymnasium הראל [hebräisch: Harel]…zehn Minuten von Jerusalem, wenn Sie es kennen. Sie waren sehr nett…eine ganze Woche. Und eines Mal, ich war in Auschwitz und bin ins Archiv hinein und habe verlangt, ob ich Auskunft bekommen kann…was ist mit Transport soundso passiert? Und sie haben es mir geschrieben. Transport Nummer soundso, Zug Nummer soundso ist nach Birkenau…weißt du? Es ist Auschwitz I und Birkenau…angekommen am 13. September, 15 Uhr 55, ganz genau, und fast alle Insassen sind direkt in die gas chamber geschickt worden. Sie schreiben es.

 

1/00:20:31

 

Wir blieben allein, ein fünfjähriges Kind…die Hilda ist auch [19]45 gerettet worden. Sie kam nach England nach dem Krieg und hat getroffen die Tante von uns. Das war vielleicht die einzige, die…sie gekannt…sie wohnte auch in Wien, bis zum Krieg, und konnte nach England, hatte eine Bestätigung bekommen. Und hat ihr erzählt, vermutlich bin ich am Leben geblieben. Die Frage ist nur, wo…keine Ahnung. Ich habe eine Tante, die Schwester meiner Mutter, und die wohnte in Tel Aviv seit [19]34. Und sie bekam einen Brief, dass ich vermutlich am Leben bin. Es hat fast zwei Jahre gedauert, mich über das Rote Kreuz zu finden, in Genf. Und sie hat mir auch nachher geschrieben, was Hilda ihr erzählt hat. Also da weiß ich ganz genau Bescheid. Nur, als fünfjähriges Kind…die Frage, warum. Warum hat mich meine Mutter runtergeworfen? Wen soll ich fragen? Die Bäume? Die geben keine Antwort. – „Ja“, habe ich gedacht, „meine Mutter hat ein paarmal mit mir geschrien. Sie war verärgert auf mich, und jetzt hat sie mich bestraft. Und wegen dem hat sie mich heruntergeworfen.“ Es ist sehr komisch, aber nur nach zwei harten Jahren habe ich jemanden getroffen, der mir genau erzählt, dass das nicht der Grund dafür war. Aber in einer Minute bin ich mit meiner Mutter, und plötzlich allein. Für ein Kind ist das ein Schock. Und natürlich weinte ich.

Zwei, drei Wochen waren wir so zwischen den Bäumen, Plantagen…es waren vielleicht Apfelbäume, Pfirsich…ich habe keine Ahnung, aber etwas zum Essen haben wir gehabt. Wasser auch…es regnete, es gab Kanäle zwischen den Bäumen…wir sehen von weitem, da sind ein paar Dörfer, aber wir haben natürlich Angst. Und Hilda weiß ganz genau, was es bedeutet, wenn wir plötzlich erwischt werden, und was man mit uns macht. Und da sind wir einfach zwischen den Bäumen geblieben. Aber es ist schon Ende September. Das bedeutet, in der Nacht ist es kalt, und wenn es regnet, ist es feucht und nass. Wie lange kann man so bleiben? Eines Tages…und wir gehen immer weiter und weiter…nicht bei den Zuglinien, sondern zwischen den Bäumen und Plantagen, die Felder, was da ist. Eines Tages stehen wir vor einem Hügel. Oben ist ein Klosterturm. Ja, man sieht den Unterschied zwischen einer Kirche und einem Kloster. Hilda weiß, es ist ein Kloster. Wir steigen hinauf, und wir kommen zu einer Mauer. Und dort ist eine Holztür, und neben der ist so ein Stück Stein mit einem Seil. Man kann ziehen, und es klingelt. Und wir stehen…ziehen oder nicht ziehen? Was wird passieren? Ich stehe auf der Seite. Wenn sie Angst hatte…ich hatte zu 100 Prozent Angst. Und sie zieht. Das kleine Fenster von der Tür wird geöffnet, eine Nonne…sie spricht mit Hilda. Die Tür wird geöffnet, wir kommen herein. Sie hat uns getrennt, Hilda in ein Zimmer, ich in ein anderes Zimmer. Und nach ein paar Wochen bin ich auf einem Bett, ohne Angst vor Regen, ohne Angst vor Schnee, und was es noch war. Aber sie gab mir natürlich nichts, einfach eine Decke, und damit ist die Sache erledigt. Es ist ein Kloster, kein Hotel. [Lacht.]

 

1/00:25:15

 

In der Früh kommt sie, weckt mich auf…ich war natürlich total müde, das ist klar…und sagt: „Komm’ mit mir. Wir gehen in ein Büro dort.“ Und dort die Großschwester, oder wie es heißt, sagt: „Wir wissen ganz genau, von wo ihr kommt, was euch passiert ist. Wir werden euch nicht herauswerfen.“ In Französisch natürlich. Ich bin schon von [19]40 bis [19]42, drei Jahre schon…ich spreche französisch…weiterhin. – „Aber, das ist ein Frauenkloster. Du kannst natürlich hier nicht bleiben. Hilda wird hier bleiben. Aber wir werden dich nicht herauswerfen. Wir werden schon etwas…dafür sorgen.“ Am Nachmittag kommt ein Bauer mit Pferd und Wagen, nimmt mich mit. Ich spreche französisch, und er spricht französisch. Ob er so froh darüber war, glaube ich nicht. Ob er Angst hat, ein Kind – ein jüdisches Kind – mitzunehmen, bin ich überzeugt. Er sitzt neben mir, schaut mich an…ich war schon über fünf, etwas erinnern kann ich mich. Und die erste Frage ist, auf Französisch: „Wie heißt du?“ – „Robert“, sage ich auf Französisch. Da ist er beruhigt gewesen. Zwei Sachen hat er erwischt. Erstens, ich spreche französisch. Zweitens, ich habe einen normalen Namen…nicht Isaac oder so weiter, Abraham oder was weiß ich. Und den Namen kann ich natürlich behalten. Da sagt er mir: „Ja, prima. Auf Französisch ist Robert wie Robert. Wir werden zu Hause erzählen, du bist der Sohn von Bekannten aus Paris, die mich aufs Land schicken. Da ist mehr zum Essen.“ Alles schön und gut. Er wohnte außerhalb von irgendeinem Dorf dort, hatte eine Frau, hat noch zwei Söhne. Die waren ungefähr ein oder zwei Jahre älter als ich. Und wir drei bekamen ein Zimmer. Er war sehr korrekt mit mir. Zwei Monate später, Weihnachten, und da sagt er uns: „Jeder muss seine Schuhe putzen, und wenn die Schuhe schön sauber geputzt sind, Santa Claus kommt und füllt die Schuhe mit…“ Das kennst du, oder? את מבינה למה אני מתכוון? [hebräisch: Weißt du was ich meine?]. Natürlich habe ich die ganze Nacht nicht geschlafen. Um vier Uhr in der Früh stehe ich auf, mache dir Tür auf. Wir drei waren in einem Zimmer…und ich sehe die Schuhe voll mit Bonbons. Herrlich! Aber er war wirklich korrekt. Am Land arbeiten Kinder auch. Ist es schönes Wetter, draußen, ist nicht schönes Wetter, zu Hause, und immer ist etwas zu tun. Und wenn Schule ist, die zwei Söhne gehen zur Schule. Ich habe natürlich keine Dokumente, keine Papiere. Mich kann man nicht ohne Weiteres in die Schule schicken. Ich bleibe zu Hause. Und seine Frau und er haben mir gesagt, wenn jemand fragt: „Warum bist du zu Hause? Warum bist du nicht in der Schule? Was machst du hier? Wer bist du? Dann sollst du wissen, was du antwortest.“ Nach zehnmal etwas kommt herein.

 

1/00:29:23

 

Die Frage ist nur, wenn jemand dich fragt, vergiss nicht, was zu sagen. Das kann auch passieren. [Lacht.] Eines Tages, ich bin mit seiner Frau…es ist schon Juni, glaube ich…ich helfe ihr…ein Wagen – selten. Ich schaue zum Fenster – es war in der Küche – und werde fast ohnmächtig: ein schwarzer Wagen, mit 3 Soldaten, deutsche Soldaten natürlich. Sie suchen mich. Von Haus zu Haus suchen sie, wer Juden versteckt. Und sie weiß ganz genau, wenn man mich erwischt, oder ich einen Fehler mache, dann ist die Sache erledigt – nicht nur mit mir, auch mit ihr. Sie konnte nicht raus aus der Küche. Sie gibt mir so eine Tasse [meint: ein Tablett] mit drei Gläsern Limonade, ich soll rausgehen. Da ist doch der Rauch vom Kamin, da weiß jeder, dass jemand zu Hause ist. Man kann nicht sagen, dass keiner zu Hause ist. Ich weiß ganz genau, bin ich ein schlechtes Kind, werde ich bestraft. Aber ich habe gar nichts Schlechtes getan, warum soll ich Angst haben? Da kommen drei Soldaten, schwarz angezogen, sogar mit einem Schießgewehr…ich gehe hin, ohne Angst, ich reiche die Gläser. Sie trinken die Gläser, geben sie mir zurück, und vom Wagen steigt der Offizier – der sitzt immer hinten – runter. – „Merci beaucoup!“ Und fängt an, mich zu fragen. Nur nachher kann ich begreifen, welche Bedeutung diese Prüfung hatte. Bei dieser Prüfung kann man nur 100 bekommen. Macht man einen Fehler, ist die Sache erledigt. Es gibt keine zweite Möglichkeit. Ich kann nicht sagen, ich habe mich geirrt, weil dann ist die Sache erledigt. Und die erste Frage: „Wie heißt du?“ – „Robert, Monsieur.“ Ich weiß schon, nach sechs Monaten bin ich Robert. – „Wie heißt dein Vater?“ Ich hatte nicht gesagt, dass er mich gefunden hat und so weiter. Ich lebe bei ihm, er gibt mir Essen, ich bin sein Sohn, also ist er mein Vater. Wie alt bin ich? Knapp…noch keine sechs Jahre alt. Ja, natürlich sage ich: „In der Arbeit, wo kann er sein?“ – „Wo ist deine Mutter?“ Da sage ich, der ist doch blöd. Man sieht den Rauch, also ist sie in der Küche. – „In der Küche, Monsieur.“ – „Hast du Geschwister?“ – „Natürlich, ich habe zwei Brüder.“ – „Ehrlich? Und wo sind sie?“ Da sage ich, der ist doch Blödian. Klar, sie sind in der Schule. Und jetzt kommt die Million-Dollar-Frage: „Warum bist du nicht in der Schule?“ – „Ja“, sage ich, „ganz einfach: Ich bin krank, ich darf die Schule nicht besuchen.“ Das wurde mir natürlich gesagt. Glücklicherweise, das habe ich auch gesagt. Ich könnte meine Zunge beißen und vergessen, was zu sagen ist, dann wäre die Sache erledigt, und du hättest nicht intervenieren können. Aber glücklicherweise habe ich gesagt…also die Wahrheit, was man mir gesagt hat. – „Merci“, ich gehe herein, bringe die Gläser, ganz ruhig, ohne Weiteres. Natürlich erzählt sie ihrem Mann, was passiert ist, und ihm war dann klar, ich kann nicht weiter bleiben.

Nach zwei Wochen kommt jemand, mit einer Mütze, siebzehn, achtzehn Jahre alt, mit einem Wagen, um mich mitzunehmen. Der Bauer hat vielleicht jemanden von der résistance gekannt. Was résistance ist, weißt du? Und in Frankreich gab es eine Organisation, OSE [Œuvre de secours aux enfants]. Es waren junge Leute, Juden, und sie haben eins gemacht: Kinder retten. Und er hat mich genommen, und wir fahren von Richtung Metz die Alpen herauf, über Grenoble, zu einem Dorf, das heißt Voiron. Ich habe es nachher aufgeschrieben, da steht es, wo ich war. Und dort kamen wir auf eine Farm, bringt mich herein, Kuhstall, am Boden nur Stroh. Die Kühe sind schon lang-- [Telefon klingelt.]

 

1/00:34:51

 

[Übergang/Schnitt.]

 

Wir sind in Norddeutschland…in deutschem Besitz natürlich, Grenoble. Und er gab ein bisschen Stroh auf die Seite, öffnete eine Tür, und ich sehe eine Leiter, und er sagte einfach, herunterzugehen. Unten, unterm Stall, war ein Keller. Dort waren noch fünf Kinder, jetzt mit mir zusammen sechs. Er macht dir Türe zu, und dort wurden wir versteckt…in einem Keller. Nicht einen Tag, nicht zehn Tage…sechs Monate. Einmal hat mich jemand gefragt: „Was machen sechs Kinder den ganzen Tag?“ Da sagte ich: „Ganz einfach: Auch am Tag ist es dunkel…nicht nur in der Nacht.“ Es kommt am Tag vielleicht ein bisschen Licht durch den Holzboden, aber das ist der ganze Unterschied zwischen Nacht und Tag. Wir bekommen manchmal etwas zum Essen. Wenn schönes Wetter ist…nur in der Nacht natürlich…nimmt man vielleicht ein oder zwei Kinder, die können herausgehen. Aber wenn es regnet oder schneit, sieht man die Füße und da kann man nicht heraus vom Keller. Sechs Monate ist eine sehr, sehr lange Zeit. Was macht man? Kinder finden sich schon etwas zu tun: raufen, spielen, lachen, schreien, weinen…sechs Monate. Und wenn jemand auf den Boden klopft mit einem Stück Holz oder einem Stück Besen, muss man ganz still bleiben. Vielleicht ist jemand oben und soll niemanden hören im Keller. Sechs Monate, das war von Ende [19]43 bis Anfang [19]44. Die Zeit vergeht, Winter, in Grenoble ist es kalt – sehr kalt –, wir haben nichts gehabt zum Anziehen. Dort wohnten zwei Bauern, alte Leute. Wir können hingehen normalerweise, ins Geschäft…können ein Brot…aber sie können nicht zwei Brotstücke verlangen. Da wird jemand fragen: „Für wen ist es?“ Also viel zum Essen haben wir nicht gehabt. Kinderkleider natürlich nichts…was wir gehabt haben, mit dem sind wir geblieben. Wir haben mit denselben Kleidern geschlafen, gespielt am Tag mit denselben Kleidern, geweint mit denselben Kleidern, zugedeckt…vielleicht war da ein Stück Decke oder so etwas. Aber die Zeit vergeht.

OSE sind…ein paarmal ist es passiert, dass Kinder entdeckt worden sind. Aber in dieser Zeit ist es schon schwer, eine andere Möglichkeit zu finden. Etwas ist passiert auf der zweiten Seite von der Grenze mit der Schweiz, was mit mir zu tun hat Ende [19]43. Der Polizeichef von der Polizei in der Stadt St. Gallen…sein Name war Paul Grüninger [Anm. d. Red.: Grüninger rettete als Grenzbeatmer zahlreiche jüdische Flüchtlinge; 1939 wurde er vom Dienst suspendiert]…hat erwischt dreizehn jüdische Kinder, denen es gelungen ist, die Grenze zwischen Österreich und der Schweiz…und erwischt worden. Er bekommt einen Befehl von der Polizei, muss die Kinder zurückschicken. „Ja“, sagt er, schickt er die Kinder zurück, ist die Sache erledigt. – „Wie kann ich solche Kinder zurückschicken? Nein, das mache ich nicht.“ Aber er bekommt einen Befehl. Das ist ein Befehl, du musst die Kinder zurückschicken. Er ist von der Polizei entlassen worden, als Strafe, die Kinder wurden zurückgeschickt, was passiert ist, ist klar, aber es hat einen Krach gemacht in der Züricher Zeitung. Wieso mit Kindern? Die Schweizer haben doch keine Flüchtlinge genommen. Sie haben Flüchtlinge, ob Kinder oder erwachsene Leute, erwischt, zurückgeschickt. Aber es war Krieg, schon Ende [19]43, also haben die Behörden in Bern die Gesetze etwas geändert.

 

1/00:40:19

 

In Ordnung, Kinder bis sechs Jahre alt, in verschiedenen Verhältnissen, können in der Schweiz bleiben. Über sechs sind sie schon erwachsen…zurückgeschickt. Also hat OSE gedacht, wir nehmen drei Kinder und versuchen, die Schweizer Grenze zu überqueren…natürlich die kleinsten. Ich war der Kleinste. Die Zeit war ich schon fast sieben Jahre alt, das ist Mitte [19]44. Die anderen waren etwas größer, aber viel Wahl war nicht. Da hat man drei Kinder genommen, es kommt einer mit einem Wagen, nimmt uns. Wir fuhren von Grenoble Richtung Genf. Nicht weit von Genf ist eine kleine Stadt, [unklar]. Neben der ist ein Fluss, und wir versuchten, den Fluss zu überqueren. Dabei wurden wir irgendwo versteckt, in einer Hütte oder ich weiß nicht ganz genau. Am Abend, manchmal kommt er, wir gehen zum Fluss, wieder zurück, wieder hin, wieder her. So vergeht die Zeit. Eines Tages, es strömt, und auf den hat er gewartet. Von oben bis unten, es blitzt, es donnert, es strömt. Er nimmt uns, wir kommen zum Fluss. Er hat ein Boot gehabt, der Junge. Wir überqueren den Fluss auf die andere Seite, es war todfinster, außerhalb von jedem Ort. Ich vermute, dass irgendwie…sie haben mir etwas gegeben, mit dem man Stacheldraht öffnet. Und er sagt uns: „Ihr krault und geht einfach hinüber und nachher einfach geradeaus weitergehen.“ – „Was ist mit dir?“ – „Ich kann nicht durchkommen.“ Er ist zurück, und wir krabbeln unter das Gitter, stehen auf und gehen einfach. Und es regnet und regnet, ununterbrochen. Keiner von uns hatte eine Ahnung, wo wir sind…dass wir schon nicht mehr in Frankreich sind. Auf der Schweizer Seite spricht man auch französisch. Wir gehen…wie lange? Wir kommen in ein Dorf hinein. Nach ein paar Minuten kommt ein Gendarm, auf einem Fahrrad. Wegen dem Regen hat er seine gelbe Jacke an. Ein paar Fragen, versteht ganz genau, dass wir illegale Flüchtlinge sind, nimmt uns mit zur Polizeizelle, zehn Uhr in der Nacht. Da steht ganz genau, an welchem Tag, um wieviel Uhr er uns erwischt hat, und wo…ich kann es dir nachher zeigen. Der Termin ist 4.4.[19]44. Wie ich das erzähle…kann man nicht glauben, aber ich habe es deutlich geschrieben. Um zehn Uhr nachts wurden wir erwischt, in einem Dorf, [unklar], ungefähr zehn Kilometer von Genf, neben [unklar]. Oder [unklar], keine Ahnung, wie das Dorf genau heißt. Um zehn Uhr in der Nacht kann man nicht anrufen, auch in Genf ist keiner im Büro. Was macht man mit uns? Er sieht uns an, wir sitzen am Boden, weil wir waren pitschnass. Und das erste, was er macht, ist, er bringt uns drei Gläser mit heißem Kakao. Das erste Mal, dass ich etwas Warmes und Süßes nehme. Nachher macht er die Zelle auf, dort waren ein paar Matratzen, gibt uns drei Decken, wir legen uns nieder und schlafen natürlich in einer Sekunde ein.

 

1/00:45:02

 

In der Früh stehe ich auf, blauer Himmel, die Sonne scheint. Er sagt uns: „Ihr könnt raus in den Hof, die Mauer ist zu.“ Und er gibt uns etwas zum Essen, ein paar Stück Brot, was er gehabt hat. Ich setze mich nieder auf eine Bank in der Sonne. Monate lang habe ich keine Sonne gesehen. Blauer Himmel ist für mich…warm, schön, gut. Am Nachmittag kommt ein Beamter von der Gerichtsabteilung, Justizdepartement, hat uns getrennt und setzt sich neben mich und fängt an, zu fragen. Seine Fragen hat er ausgefüllt auf einem Bogen. Den Bogen habe ich da…genau geschrieben, was ich ihm erzählt habe. Und er hat mich natürlich gefragt, von wo ich komme, und ich habe gesagt, aus Voiron. Ich wusste, wie das Dorf heißt. Ich war sechs Monate dort. Wegen dem weiß ich heute noch, wie das Dorf heißt. – „Wie heißt du?“ – „Robert.“ – „Familienname?“ Ja, habe ich ihm gesagt. Er hat es natürlich mit zehn Fehlern aufgeschrieben, und wegen dem war es für meine Tante so schwer, mich zu finden. – „Wie heißt deine Mutter?“ – „Margarethe.“ – „Wie heißt dein Vater?“ Ich habe keine Ahnung gehabt. – „Hast du Verwandte in der Schweiz?“ – „Was heißt Verwandte? Niemanden.“ – „Hast du irgendeinen Kontakt, oder warum bist du in die Schweiz gekommen?“ Welche Antwort kann ich sagen? Sie haben mich genommen und gesagt, ich soll gehen. Und nachher die Million-Dollar-Frage: „Wie alt bist du?“ Und er ist in der Gerichtsabteilung. Er weiß die Gesetzte zu 100 Prozent, ganz genau. Und ich sage ihm einfach: „Ich habe keine Ahnung“, mache ein Gesicht. – „Ich weiß es nicht.“ Ich habe keinen Geburtstag gehabt, und wie alt ich bin, hatte ich keine Ahnung. Er schaut mich an, und er weiß die Gesetze. Und auf dem Dokument ist geschrieben [19]38. Das heißt, er hat mich ein Jahr jünger gemacht. Komischerweise, aber fast alle, die ich damals getroffen habe, waren auf meiner Seite. Die Polizei hat drei illegale Flüchtlinge erwischt. Das erste, was er gibt, ist ein Glas Kakao…das musste er nicht. Und er konnte ganz genau schreiben [19]37. Ich war fast sieben Jahre alt. Und der Tag war 4. April [19]44.

Am Nachmittag kommt ein Wagen, nimmt mich – wir wurden getrennt – allein zu einem Flüchtlingslager, [unklar], neben Basel. Von Genf nach Basel sind es ungefähr drei Stunden. Man bringt mich zu einer Baracke. Dort waren ungefähr 100 Männer und noch vier, fünf Kinder, und mit dem war die Sache erledigt. Wir bekamen nichts…ich bin illegal, man schickt mich vielleicht zurück, was braucht man mir zu geben? Essen, ja…in der Schweiz gab es Essen. Es ist nur ein Problem, dass zum Essen ist ein Essenssaal. Frühstück ist zwischen sieben und halb acht, und wenn ich fünf Minuten später komme, ist die Tür zu. Und ich bin todmüde und sehr schwach, und ich stehe normalerweise gegen acht oder neun Uhr in der Früh auf, und damals gibt es schon nichts mehr zum Essen. Also die einzige Zeit, die ich wirklich gehungert habe, war in der Schweiz, der erste Monat. Die Zeit vergeht. In der Baracke waren noch ein paar Kinder, aber keiner hat irgendeine Sorge auf uns gemacht. Wir konnten machen, in dem Camp, dem Flüchtlingslager, was wir wollten – natürlich nicht raus. Manchmal ist ein Kind, einer von uns, gekommen, hat uns ein paar Stücke Brot gebracht. Einmal ist keiner gekommen, wir sind alle etwas später aufgestanden, haben nichts gehabt, und so vergeht die Zeit. Ein Monat vergeht. Nach einem Monat kommt einer: „Wer ist der Robert soundso?“ Nimmt mich mit, ich komme ins Büro, und dort sitzt ein Beamter am Tisch, und ich stehe. Und auf dem Tisch war so ein großes Kuvert, braun, nicht weiß. Er schaut mich an und sagt: „Hör’ zu, das ist deine Entscheidung. Da sind zwei Möglichkeiten. Du bekommst eine Aufenthaltsbestätigung, dann bist du legal und bleibst in der Schweiz. Wenn nicht, müssen wir dich direkt zurückschicken und können dich nicht hierbehalten. Und was zurückschicken bedeutet, verstehst du auch.“

 

1/00:51:05

 

Ich mache das Kuvert auf, und drinnen ist ein Brief…ich werde es dir nachher zeigen. Ich glaube, ich bin einer der einzigen, unterschrieben vom Justizdepartement, nicht von der Gerichtsabteilung, nur von der Polizei. Der Brief ist nicht…es ist eine Kopie, die an die Behörden von dem Flüchtlingslager…aber der Brief ist geschickt an die Gerichtsabteilung in Genf, und dort steht deutlich: „Das Kind hat das Recht, am Leben zu bleiben.“ Ja, ich weiß nicht, ob noch jemand so eine Bestätigung hat. – „Ja“, sagt er mir…nach ein paar Minuten bin ich fertig…„jetzt bist du legal. Wir werden für dich sorgen. Derweil, geh’ zu deiner Baracke, nimm’ deine Sachen.“ – „Ja“, sage ich, „ich habe keine Sachen. Was ich angezogen habe, das habe ich.“ – „Das heißt, du hast nichts?“ – „Nein“, sage ich, „ich habe nichts.“ Dann hat er jemandem gesagt, er soll mir Mittagessen bringen. Mittagessen…Suppe, Hauptmenü, alles! Das habe ich vielleicht Jahre lang nicht gegessen, so etwas. Nachher kommt ein Wagen, nimmt mich mit. Wir fahren Richtung Luzern, zu einem Dorf, das heißt…wie heißt das Dorf…Dürrenäsch. Das sagt dir nichts. Natürlich, mir auch nicht. Ich bin eingeschlafen. Ich stehe auf, der Wagen bleibt stehen, der Chauffeur macht die Tür auf, ich gehe herunter. Ich mache die Augen auf und stehe vor einem Schloss – ein Haus, gehörte einer reichen Familie, vier Stockwerke, mit Balkon und prima. Von dort kommt eine Nonne heraus, nimmt die Papiere, die ich gehabt habe, unterschreibt, dass sie ein Kind bekommt und so. Wir kommen herein, und es war schon in der Nacht…erstens, die Haare geschnitten, das ist klar. Von wo ich komme, weiß sie ganz genau. Ich habe vielleicht ein Haufen von Läuse, oder wie heißt das? Flöhe?

PM: Da gibt es beides.

RP: Und nachher geduscht, bekomme einen neues oder sauberes Pyjama, und sie bringt mich in ein Zimmer herein, mit noch neun Kindern. Da sind fünf Zweistockbetten, und ich lege mich nieder, weißes Leintuch, eine Daunendecke, ein Polster, warm, Heizung…ich schaue herum. Eine Nacht vorher war ich noch in einer Zelle eingesperrt, zwei Nächte vorher in einem Keller irgendwo und plötzlich sage ich: „Das ist meine Mutter! Sie ist zurückgekommen, sie sorgt für mich!“ Ja, aber wo ist sie? Ich suche sie, und ich finde sie natürlich nicht.

 

1/00:55:00

 

Ich habe natürlich nicht begriffen, wo ich bin und was mit mir passiert. Aber, „Mami! Mami!“ Und ich fange an, zu weinen, zu schreien. Und alle Kinder machen die Augen auf und schreien: „Der Kleine stört uns beim Schlafen!“ Die Nonne kommt, nimmt mich heraus, bringt mich in ein Einzelzimmer, auch ein schönes Bett mit allem, und sagt: „In der Früh werden wir schon sehen, was mit dir passieren wird. Leg’ dich nieder und schlaf’ ein.“ Und ich weine weiter. Nach ein paar Minuten sehe ich gegenüber vom Bett, die Tür öffnet sich. Ich habe es gesehen, das Licht vom Korridor. Da fange ich an, zu zittern, ich nehme die Decke und decke mich zu und zittere und weine. Sie setzt sich nieder: „Warum zitterst du?“ – „Ja“, sage ich, „es wurde uns gesagt, man darf nicht weinen, dort wo ich im Keller war. Man macht keinen Lärm, wenn von oben geklopft wird.“ – „Nein“, sagt sie, „hier darf man schon weinen. Aber warum weinst du so?“ Da sage ich: „Ich suche meine Mutter.“ – „Wann hast du deine Mutter das letzte Mal gesehen?“ – „Als sie mich vom Zug heruntergeworfen hat.“ Und sie versteht natürlich. – „Warum denkst du, hat dich deine Mutter vom Zug heruntergeworfen?“ – „Ja, natürlich, ich war ein schlechtes Kind, und sie hat mich bestraft.“ – „Nein“, sagt sie mir, „das ist nicht der Grund. Ihr seid zu einem schlechten Platz gefahren, und deine Mutter wollte, dass es dir gut geht. Und wegen dem hat sich dich vom Fenster runtergeworfen. Der Krieg wird vorbei sein, deine Mutter kommt zurück, und alles ist schön und gut.“ Natürlich hat keiner gewusst, dass zwei Tage…am 13. September war schon die Sache erledigt [Anm. d. Red.: Perels meint hier das Ankunftsdatum des Transportes seiner Mutter in Auschwitz].

Ich bin eingeschlafen, stehe in der Früh auf, die Nonne kommt, bringt mir neue Kleider…saubere Kleider, sie waren vielleicht nicht neu, aber nicht das, was ich gehabt habe, die schmutzigen, dreckigen Kleider, die ich monatelang oder ein Jahr angezogen habe. Wir kommen zu den neun Kindern, zu einem Tisch. Jeder hat Geschirr, aus Blei…nicht Keramik, keine Ahnung warum…und ein Glas mit heißer Milch. Ich weiß…fehlt keine Milch, natürlich…und ein Körbchen mit Brot, Butter, Käse. Und ich setze mich nieder, nehme die Milch, aber soll ich Brot nehmen, ja oder nein? Weil im Lager, wo ich war, im Flüchtlingslager, wenn einer von den Kindern Brot genommen hat, dann hat er ein paar Stücke für die anderen gebracht. Jetzt soll ich in die Tasche…meine Hose, die ich angezogen habe, soll ich ein paar Stücke Brot reinnehmen? Keiner macht das! Also was macht man? Keine Ahnung, ich nehme einfach nichts. Sie setzt sich nieder. – „Nein“, sagt sie, „du wirst nicht aufstehen, bis du gegessen hast.“ Also nehme ich ein Stück Brot. – „Nein“, sagt sie mir, „nimm’ das Brot, halber Zentimeter Butter, zwei Zentimeter Käse.“ Das war auf jeden Fall das letzte Mal, dass ich gehungert habe. Dort war ich ein halbes Jahr, etwas weniger. Nach ein paar Monaten kommt eine Frau, eine Schweizer Familie aus Zürich, und nehmen mich als Pflegeeltern. Und ich war mit ihnen ein paar Monate, und sie haben mich adoptiert. Die Zeit vergeht, September, ich gehe in die Schule, und [19]47, meine Tante…wie und was…auf jeden Fall, sie hat gewonnen und hat mich hierher gebracht. [Pause.] Was ist hier passiert, ist schon eine andere Geschichte.

PM: Wissen Sie, wie das dann genau passiert ist? Wie sind Sie von der Pflegefamilie in der Schweiz dann hergekommen?

RP: Über Marseille. Wir haben bekommen…die עליית הנוער [hebräisch: Kinder- und Jugend-Alijah], die Jugendabteilung von der Sochnut, hat noch vierzehn Kinder gefunden. Die waren irgendwo in Marseille versteckt, und wir zusammen haben ein Zertifikat bekommen und sind mit dem Schiff Meteora gekommen – das war am 10. September [19]47, an Rosch ha-Schana genau – nach Haifa. Zuerst war ich in einem Kinderheim, weil ich konnte kein Wort Iwrit, und nachher…mit anderen Kindern, bis ich lerne, etwas zu sprechen und so weiter…in Jerusalem. Und November…29. November [1947] beginnt der Krieg. Ich war dann ein paar Monate in מוצא [hebräisch: Motza], und nachher hat man uns nach Jerusalem gebracht. Und dann [19]49 hat mich meine Tante genommen. Da war ich schon zwei Jahre hier, begann die Schule…Volksschule, Gymnasium, Militär, weiter studieren, heiraten, zwei Kinder, sechs Enkel…alles schön und gut. [Lacht.]

 

1/01:01:25

 

PM: Erinnern Sie sich, was das für ein Gefühl war, aus der Schweiz hierhin anzukommen, nach Palästina?

RP: Eigentlich war ich nur acht Jahre alt. Und mich hat man natürlich nicht so ganz genau gefragt. Ja, meine Tante hat gesagt: „Er ist der einzige von meiner Familie, ich will das Kind haben.“ Aber meine Mutter [meint: Adoptivmutter in der Schweiz], ja…ich habe nachher mit ihr noch Kontakt gehabt, 30 Jahre, sagte mir: „Das ist deine Tante, die Schwester von deiner Mutter.“ Vielleicht habe ich geglaubt, wenn das die Schwester meiner Mutter ist, vielleicht ist meine Mutter auch dabei. – „Aber auf jeden Fall, du bleibst mein Kind“, sagt sie mir. Und ich habe mit ihr Kontakt gehabt – ich habe sie sehr geliebt –, bis sie starb. Ich kann dir jetzt nur noch ein paar Bilder und Dokumente zeigen. In Ordnung?

PM: Am besten nachher, dann kann ich Sie noch mehr fragen.

 

[Übergang/Schnitt.]

 

Ende von Teil 1.

 

Teil 2

PM: Dürfte ich Ihnen noch ein paar Fragen stellen?

RP: [Nickt.]

PM: Wie haben Sie es geschafft, noch mehr Dinge über Ihre Familie herauszufinden? Oder was konnten Sie über Ihre Eltern rausfinden?

RP: Es ist kein Problem. Meine ganze Familie habe ich von einer Liste von Yad Vashem. Mein Vater hat noch zwei Brüder und zwei Schwestern gehabt. Seine Eltern sind in Wien geblieben, nach Mauthausen, und von dort auch…und so weiter.

 

[Übergang/Schnitt.]

 

PM: Haben Sie über Ihre Tante noch viel über Ihre Eltern erfahren und ihr Leben in Wien?

RP: Was meine Eltern gemacht haben? Ja! Es steht ganz genau dort…Sie haben es gesehen, am Abmeldungsbefehl. Der Beruf meiner Mutter…meine Mutter war eine Kontoristin. Sie arbeitete in der Postsparkasse in Wien, Erster Bezirk. Mein Vater war ein Buchhalter, und er arbeitete in einer Firma in Baden, nicht weit von Wien.

 

[Übergang/Schnitt.]

 

PM: Wie kam es, dass Sie die Studienfahrten mit Schulklassen nach Polen machen?

RP: Ich fahre einmal im Jahr, oder früher zweimal im Jahr. Es sind Schulen, die…normalerweise bin ich eingetragen im משרד החינוך [hebräisch: Bildungsministerium]. Das ist das--

PM: --Bildungsministerium?

RP: Erziehungsministerium. Und sie schicken mich zwei Monate vorher in eine Schule. Die Schulen verlangen mich. Die wollen mit mir nochmals, und…ich bin praktisch…ich war dort in der Zeit, im Wagen drin, im Transport drin. Ich gehe mit den Schülern an den ganzen Lagern vorbei: Treblinka, Auschwitz und so weiter. Sie waren in Polen? Es ist nicht leicht. Jetzt war es so kalt…ich nehme noch eines. [Isst ein Keks.] Es war wahnsinnig kalt.

PM: Wie ist es, dort mit den Schulklassen zu sein?

RP: Interessant, sehr interessant.

 

[Übergang/Schnitt.]

 

PM: Dann wollte ich Sie noch fragen, haben Sie noch Kontakte zu Leuten, denen Sie in Frankreich oder der Schweiz begegnet sind?

RP: Ich habe gehabt bis vor drei Jahren…sie sind nachher übersiedelt nach Meiringen. Das ist nicht weit von Interlaken, aber sie sind leider schon gestorben. Heutzutage niemand…aber was ich sagen muss…der Wächter, der Gendarm…erstens bringt er uns Kakao, und das ist schön von ihm. Das zweite, er konnte schreiben [19]37. Das hat er natürlich in Bleistift geschrieben, nicht gedruckt. Das konnte er dort am Dorf nicht, aber was ich ihm erzählt habe…ich habe ihm einfach erzählt…keine Ahnung. Er hat nicht geschrieben: „keine Ahnung“. Er hat [19]38 geschrieben, und das ist der Unterschied. Und der Polizeichef, er kennt mich nicht. Er weiß, ich bin ein staatenloses Kind…illegal auf der schweizerischen Grenze. Das heißt, ich bin kriminell.

 

2/00:05:02

 

Er könnte sagen: „Ist nicht meine Sache!“ Warum hat er das gemacht? Wegen den zwei Tagen…kann sein, kann nicht sein. Auf jeden Fall schreibt er: „Das Kind hat ein Recht, am Leben zu bleiben. Das Kind muss in der Schweiz bleiben.“ Nicht in ein Lager…zu einer Familie…hat er geschrieben. Warum? Und ich versuchte, seinen Namen rauszufinden, aber es ist nur mit Bleistift etwas unterschrieben…keine Ahnung. Hier, weiter noch. [Blättert in Dokumenten und liest vor.] – „Hast du Bekannte, hast du Verwandte? Welche Verhältnisse hast du zu der Schweiz?“ – „Keine.“ Nichts…das hat er gehabt. Der Polizeichef hatte nur das in der Hand…Schluss. Und: „Chef der Polizeiabteilung.“ Wie heißt er? Hast du eine Ahnung?

PM: Nein. Vielleicht sind das zwei G und das ein N, aber…dazwischen…

RP: Hier: „Geboren [19]38.“ Er weiß über mich: „Geboren [19]38, staatenlos, hat illegal die schweizerische Grenze…“ Das erste…mit dem fangt er an…das Kind ist illegal. Er hat keine Rechte. Wir können ihn ohne Weiteres rausschmeißen.

 

[Übergang/Schnitt.]

 

PM: Ich wollte Sie gerne noch fragen, ob Sie mir von Ihrer Beziehung zu Österreich heute erzählen können?

RP: Es ist ganz einfach: Ich bin in Wien geboren, meine Eltern sind in Wien geboren, meine Großeltern – Samuel, und den Namen von meiner Großmutter weiß ich nicht – sind in Wien geboren. Mein Urgroßvater, sein Grab habe ich gefunden in Wien…Tor 1, nicht Tor 4. Da steht heute: „Jakob Perels ist geboren 1815 in Wien.“ Das heißt, meine Familie lebte in Wien für über 200 Jahre. Wenn er in Wien geboren ist, wohnten seine Eltern wenigstens in Wien…100 Prozent. Irgendwo habe ich eine Fotokopie von seinem Grab. Aber sein Grab habe ich gefunden. Jetzt, nach 200 Jahren…ich bin ein Österreicher, automatisch. Jeder, der…meine Mutter musste unterschreiben, dass Sie freiwillig verzichtet, aber laut dem Gesetz bekam ich automatisch meine Staatsbürgerschaft zurück, von Geburt, ohne Weiteres. Das heißt, nach 200 Jahren…Wien ist meine Heimat. Aber leider ist passiert, was passiert ist. Heute, wenn ich nach Wien komme, habe ich niemanden. Ich habe vielleicht vor 40 Jahren noch irgend…Menschen, die meine Eltern gekannt haben und so weiter, aber heute…niemanden…keine Bekannten, keine Verwandte, nichts. [19]47 bin ich daher, nach Palästina gekommen. Hier lebte meine Familie, hier sind meine Kinder geboren, meine Enkel geboren. Hier bin ich zufrieden. Also wo ist meine Heimat heutzutage? Hier, in dem schönen Land, in Israel. Stimmt es, oder nicht? Wien könnte meine Heimat sein…nach 200 Jahren, 100 Prozent. Die Staatsbürgerschaft habe ich automatisch. Wenn ich nach Wien komme, kann ich nur mit dem österreichischen Reisepass, weil ich bin Österreicher. Aber zu sagen, dass Wien meine Heimat ist, kann ich das? Richtig, der Bundeskanzler hat mich getroffen, hat mich eingeladen, alles schön und gut. Aber von Wien bin ich rausgeworfen worden.

 

2/00:10:08

 

Hätte ich jemanden in Wien, kann man noch sagen, aber wen habe ich? Niemanden! Es ist schwer, zu sagen, dass Wien meine Heimat ist. נכון או לא?[hebräisch: stimmt oder nicht?]

PM: Was denken Sie über die Österreicher oder über die Deutschen?

RP: Bekannte habe ich in Deutschland und…habe ich auch in Berlin. Ich war vor zwölf oder fünfzehn Jahren…nein, früher, als ich noch gearbeitet habe. Ich war Lehrer in einer technischen Hochschule in Tel Aviv, und das Erziehungsministerium hat eine Delegation von Lehrern nach Berlin geschickt, und ich war der Dolmetscher. Komischerweise, auch wenn ich 40 Jahre nicht deutsch spreche, aber die deutsche Sprache habe ich nicht vergessen. Stimmt es, oder nicht?

PM: Stimmt!

RP: Und da war ich der Dolmetscher. Und fünf Tage in der Woche haben wir gearbeitet mit Gruppen von Lehrern in Berlin, und am Wochenende, Samstag, Sonntag, ist jeder zu einer Familie. Und wir haben bis heute noch Kontakt. Ein paarmal war ich bei ihnen, sie waren ein paarmal hier. Seine Frau ist leider gestorben, aber er lebt noch und…in Wien habe ich leider niemanden. Ich fahre…mein Sohn hat gerne Ski, und eines Tages habe ich einfach den Wagen genommen, Mietleihwagen, und bin Richtung Steiermark gefahren. Und wir kommen zu einem Dorf…es war schon acht oder sieben Uhr, und wir haben eine Hütte gemietet und sind fast eine Woche oder zehn Tage geblieben. Und er hat Ski gelernt in ein paar Stunden, ohne Weiteres. Und wir sind sehr befreundet, und heute rufe ich an, wenn ich kommen will, und letzten März war ich auch in der Steiermark, und nachher hat man von mir verlangt, ob ich in Wien, auch in einer Hochschule, eine Rede oder einen Vortrag halten kann, über was mir passiert ist. Und das habe ich damals gemacht und jetzt auch, in einer anderen Schule. Ich fahre nach Österreich, und ich habe es gerne, aber zu sagen, es ist meine Heimat…es ist schwierig. Gott sei Dank…wirklich, ich bin zufrieden hier. Warum nicht? Es geht mir gut. Ich habe meine Rente, ich habe zum Leben, Existieren…ohne Weiteres, ich habe Kinder, ich habe alles. Mein Sohn hat jetzt schon zweimal angerufen…das macht er zehnmal am Tag. [Alle lachen.] Er arbeitet. Er ist schon 43 Jahre alt, aber trotzdem… [Handy piepst.] Das kann warten!

PM: Und wie ist es für Sie, deutsch zu sprechen?

RP: Was meinst du?

PM: Die Sprache Deutsch zu reden.

RP: Wie es ist? Kein Problem. Jemand hat mich gefragt: „In welcher Sprache träumst du?“ In Iwrit, weil ich spreche es jeden Tag, aber du machst die Tür auf, und ich spreche mit dir…wie ich ewig deutsch spreche. Stimmt, oder?

PM: Ja.

RP: Und Deutsch ist nicht meine Sprache. Nur eine Kleinigkeit! [Steht auf und holt eine DVD.]

 

2/00:14:44

 

Der Name auf dem Film ist…was steht da?

PM: „Vergiss nicht deinen Namen“.

RP: Okay. Meine Mutter…drei Sachen hat sie von mir verlangt: „Vergiss’ nicht deinen Namen, vergiss’ nicht meinen Namen, und vergiss’ nicht deine Sprache!“ Nicht: „Vergiss’ nicht die deutsche Sprache“, sondern: „Vergiss’ nicht deine Sprache!“ – „In Ordnung“, habe ich gesagt, „stimmt!“ Die drei Sachen habe ich nicht vergessen und vergesse ich nicht. Vielleicht mache ich Fehler, ja, das kann sein. Ich schreibe und lese und rede deutsch auf jeden Fall. Ich schimpfe auch. [Alle lachen.] מי איפה את למדת גרמנית?[hebräisch: wo hast du deutsch gelernt?] . Ich frage, von wo Tamar so gut Deutsch kann.

TK: Meine Mutter ist Österreicherin. Sie hat mit mir nicht auf Deutsch gesprochen. Ich habe allein gelernt und dann Sprachkurse in Wien gemacht.

RP: Du kannst auch lesen, oder nur reden?

TK: Ja, lesen ist einfacher für mich als reden.

RP: Als reden?

TK: Ja. Reden ist, wenn man es nicht gewohnt ist, ganz schwierig.

RP: Ich habe praktisch nie eine ordentliche deutsche Schule gelernt, aber ich lese gut. Du hast es gesehen.

PM: Wie sind Sie das erste Mal zur Schule gegangen?

RP: Das erste Mal bin ich gegangen, als ich sieben Jahre alt war…in Zürich. Dort ist nicht Deutsch…Schwyzerdütsch, ganz anders. Jetzt kommt einer aus dem Ausland, spricht nur französisch, kommt in eine deutsche Schule in Zürich…aber die Kinder haben den Befehl bekommen: „Er kommt vom Ausland, ihr müsst nett zu ihm sein.“ Zürich ist Zürich, alle waren nett zu mir. Ich habe auch gute Freunde gehabt. Praktisch fiel es mir immer leicht mit anderen Leuten, mit Kindern und so weiter. Ewig hatte ich viele Freunde. Nachher komme ich nach Palästina, damals, ich spreche nur eine Sprache, Schwyzerdütsch. Jetzt komme ich zu meiner Tante, die Schwester meiner Mutter. Sie spricht nur eine Sprache, wienerisch. Zwei Monate später habe ich mit ihr schon wienerisch gesprochen, und das spreche ich noch bis heute…Wiener Dialekt. Stimmt doch, oder? Oder hochdeutsch? Was kann man sagen? Der Dialekt in Wien ist anders…es ist mehr bayrisch.

PM: Da ich ja noch nie in Wien war--

RP: --du warst in München?

PM: Ja.

RP: Es ist anders als in Berlin oder Frankfurt. Stimmt, oder nicht? Ganz anders! In Österreich ist es ähnlich wie in Bayern. Aber ich habe mehr den hochdeutschen Dialekt. Richtig?

PM: Hätte ich gesagt, ja.

RP: Aber auf jeden Fall kann man mich verstehen. Hier in dem Film spreche ich so weiter…ich bekomme eine Frage, ich kann antworten, und ich mache nicht „Äh, äh“, oder wie sagt man das…Pause in der Mitte…fließend einfach, ohne Weiteres. Wenn ich vor Schülern in Wien stehe, dann muss ich normal sprechen.

PM: Erinnern Sie sich, wie Ihre Mutter das zu Ihnen gesagt hat, oder wann?

RP: Wann hat Sie es mir gesagt? Genau kann ich…ich glaube, bevor sie mich herunterwarf. Vielleicht sind das die letzten Worte, die sie mir gesagt hat…kann sein. Vielleicht etwas früher, weil sie wusste, dass…vielleicht schon, als wir auf der Bank saßen und die ganze Nacht zusammen plaudern, und sie wusste ganz genau, was am Morgen passiert, wohin wir fahren. Und sie sagte mir, wir fahren mit dem Zug spazieren. Was soll sie sagen?

 

2/00:20:15

 

PM: Haben Sie Erinnerungen daran, wieviel die Leute damals schon wussten und was man sich erzählt hat, was passiert?

RP: Man glaubt, dass die Leute es nicht wussten. Meine Mutter ist von einem Lager, am 20. Februar [19]42, davon. Warum hat sie das gemacht? Nicht, weil sie nicht genug zum Essen gehabt hat, sondern weil sie wusste, man nimmt die Leute…sie wusste es. Und was es bedeutet, ein Zug nach Osten, sie wusste es hundertprozentig. Von einem Lager…sie riskiert ihr Leben, sie riskiert mein Leben. Das kann man nur am Tag machen. In der Nacht kann man nicht aus einer Baracke heraus. Ich habe keine Ahnung, wie sie ist vom Lager raus. Ich habe ein Buch geschrieben. Da habe ich mir gedacht: „Wie könnte sie es machen?“ Ein Tunnel…חיזבאללה [hebräisch: Hisbollah] macht einen Tunnel, aber sie ist allein. In einer Baracke sind noch Familien oder einzelne Leute…es ist keine Gruppe. Sie ist gesprungen über ein Seil…über eine Mauer? Das kann man auch nicht begreifen. – „Ja“, sage ich, „ich weiß, sie hat es in eine Wäscherei geschafft. Vielleicht ist der mit dem Wagen gekommen, sie hat mich genommen, reingeworfen in die Wäschesäcke, und sie ist nachher hinter mir hinein.“ Kann sein? Ist es möglich? Es ist möglich, ja! Das habe ich im Buch geschrieben. Aber ich habe deutlich geschrieben, über das habe ich kein Dokument. Es steht nur evakuiert…hier, nichts…évadée, sie ist davon. Sonst habe ich nichts gewusst. [Pause.]

Aber es sind viele Sachen…ich weiß, was die Dokumente sagen. Jetzt sind es Sachen, die ich logisch denke. Wie könnte die Sache sein? Mein Vater war nicht mit. Meine Mutter hat einen Befehl bekommen, sie muss mit mir innerhalb von 24 Stunden Wien und Österreich verlassen. Mein Vater ist in Wien geblieben, mit dem ist die Sache erledigt. Ich habe ihn das letzte Mal gesehen, als ich eineinhalb Jahre alt war. Kann ich mich erinnern? Nein. Mit fünf Jahren kann man sich erinnern? Ja. Das ist der Unterschied. Ich war mit der Mutter die ganze Zeit zusammen. Sie hat immer Angst gehabt, was mit mir ist. Das ist klar, auch wenn sie gearbeitet hat. Und sie musste arbeiten, im Lager in der Wäscherei, in Marseille…Gemüsegeschäft. Alles schön und gut, aber arbeiten musste man. In Brüssel hat sie auch gearbeitet, ich habe keine Ahnung was. Nirgends steht es. Ich weiß nur, ich habe ein paar Bilder, und hinten ist geschrieben soundso Brüssel…wir waren ein halbes Jahr…von bis. Ich war noch zu jung, um mich an etwas zu erinnern. Marseille, ich habe es besucht, wo wir wohnten. Ich habe die Anschrift auf einer Postkarte gesehen, was Frau Metzger, in England, uns nach Marseille geschickt hat und hat die Anschrift geschrieben. Und die Postkarte ist angekommen, leider, am 5. Oktober…meine Mutter war damals schon nicht mehr am Leben. Und der Postträger hat drauf geschrieben unbekannt und zurückgeschickt nach England. Die ist nach England zurückgekommen, und ich habe die Postkarte.

 

2/00:24:53

 

Damals…ich kann es auch nicht begreifen. [19]42, Frankreich war unter deutschem Regime. England und Deutschland waren doch im Krieg zusammen, aber die Zivilpost hat es geschafft. Briefe sind angekommen. Ich hatte Briefe…nicht direkt. Es ist nicht von einer Maschine von Marseille nach England gekommen, oder ein Schiff oder wie. Der Brief hat einen Stempel von Madrid und von Lissabon, und von Lissabon kommt er nach England. Das dauert vielleicht drei Monate, aber er kommt an. Heute, wenn ich einen Brief schicken will, wie lange dauert das?

PM: Hier kenne ich mich mit der Post nicht aus.

RP: Habe ich gesagt mit der Post? Nein, E-Mail! Drei Sekunden, nicht mehr…und ich bekomme eine Antwort fünf Minuten später. Das ist normal. Wer schickt uns einen Brief per Post? Keiner. Alles ändert sich. Du hast Matura beendet oder Hochschule oder Gymnasium oder Universität?

PM: Ich bin noch in der Universität.

RP: Du bist noch?

PM: Ja.

RP: Toi toi toi!

PM: Dankeschön!

RP: Wo studierst du?

PM: In Freiburg.

RP: Freiburg ist ziemlich weit von Frankfurt.

PM: So zweieinhalb Stunden. Es ist im Südwesten--

RP: --Freiburg ist eine Stunde von Basel. Ich weiß, ich kenne mich aus.

PM: In Basel war ich auch ab und zu.

RP: Du fährst mit dem Zug, Freiburg, Frankfurt, Köln, Bonn und so weiter.

PM: Waren Sie mal in Freiburg?

RP: Durchgefahren, ja! Weil meine Stiefmutter, sie wohnte nachher in Schaffhausen, und das ist ein Katzensprung vom Schwarzwald.

PM: Beim Rheinfall.

RP: Ja.

PM: Das war Ihre Pflegemutter aus Zürich?

RP: Zuerst war sie die Pflegemutter, und nachher hat sie mich noch adoptiert, als Kind – offiziell.

PM: Haben Sie Kontakt mit ihr gehalten?

RP: Ja, das habe ich dir gesagt…bis am letzten Tag. Ich habe sie sehr geliebt.

PM: Wie lange haben Sie dann hier bei Ihrer Tante gewohnt?

RP: Meine Tante…bis achtzehn Jahre, im Militär, und nachher habe ich eine Mietwohnung genommen…verheiratet und so weiter, alles schön und gut. Und meine Tante hat zwei Söhne. Der Älteste ist schon gestorben. Der Junge ist fünf Jahre jünger als ich, und wir sind ganz gut, halten Kontakt zusammen.

PM: Eine Frage hätte ich noch: Sie haben ja erzählt, dass Sie mit Ihrem Sohn in Österreich waren. Jetzt muss ich kurz über meine Frage nachdenken. War es Ihnen wichtig, Ihren Kindern Österreich zu zeigen?

RP: In Österreich?

PM: Wie haben Sie Ihre Kinder mit nach Österreich genommen?

RP: Er wollte Ski fahren. Ich habe gesagt, das kann man in der Schweiz oder in Österreich. Da habe ich gesagt: „Weißt du was? Wir fahren nach Österreich.“ Und es hat ihm gefallen. Nächstes Jahr: „Ich will nochmal.“ [Alle lachen.] Das ist ganz normal. Die Sprache kenne ich. Ich bin auch kein Ausländer in Österreich, das ist klar. Und so ist es normal…und ich habe gerne mehr…draußen…in der Steiermark als in Wien. Ich rufe an, und für mich hat er immer ein Zimmer.

 

2/00:30:20

 

Kennst du dich aus in Österreich? Salzburg sicher?

PM: Wir sind, glaube ich, fünfzehn Jahre dorthin in den Sommerurlaub gefahren, immer an den gleichen Ort.

RP: Salzburg ist eineinhalb Stunden von München.

PM: Also von zu Hause waren es immer so sechs Stunden, und da waren wir in der Nähe vom…da sind ja ganz viele Seen. Leider kenne ich nicht viel mehr von Österreich.

RP: Von München nach Wien, wie lange dauert das mit dem Zug, glaubst du?

PM: Drei Stunden?

RP: Zweieinhalb. Und vor zehn Jahren hat es acht Stunden gedauert…der normale Zug. Jetzt ist es ein Schnellzug, der fährt 360 Kilometer pro Stunde…zweieinhalb Stunden, das sind fast 1.000 Kilometer. Aber zweieinhalb Stunden ist nichts.

PM: Hast du noch Fragen?

TK: Wissen Sie, was mit Ihrem Vater passiert ist?

RP: Ich weiß, mein Vater ist in Wien geblieben, und wir verließen Wien am 30. Juni. Er hat den Befehl bekommen, am 16. Juli, also zwei Wochen später, Wien zu verlassen. Aber ich habe keine Ahnung, was mit ihm passiert ist. Ich weiß…ich habe ein Dokument. In Wien ist es…ich gehe zum Rathaus, Magistratsabteilung 8 oder 9, und ich möchte die Dokumente von damals. Sie haben alles, Mikrofilme und Computer. Es ist alles organisiert, und es steht ganz genau, um wieviel Uhr und so weiter. Du hast gesehen von meiner Mutter und von mir, genau am 30. Juni, und ich habe sogar eine Kopie von dem Original, wo meine Mutter unterschreiben musste, dass sie verzichtet auf ihre Staatsbürgerschaft. Dieselben Papiere hat mein Vater auch, sie sind in der Magistratsabteilung. Aber sobald er davon ist, keine Ahnung. Ich weiß nicht wohin, und ich habe gesucht, wo und was, aber nirgends steht…auch hier…in Auschwitz war er zu 100 Prozent nicht. Aber…keine Ahnung. Praktisch…ich habe ihn nie gesehen. Eineinhalb Jahre, das ist nicht etwas, das man im Kopf hat. נכון תמר? [hebräisch: stimmt Tamar?]

TK: Und Sie hatten keine Geschwister?

RP: Nein, ich habe einen Cousin, der Sohn von meiner Tante. Das ist praktisch der Einzige. Jetzt, von Frau Metzger, die Schwester von meinem Onkel…ihre Tochter lebt heute noch in Jerusalem, und wir haben heute noch Kontakt. Ist in meinem Alter…etwas…ein Jahr Unterschied, oder so etwas.

 

2/00:34:27

 

PM: Dann wollte ich Sie fragen, ob Sie noch etwas sagen wollen? Wollen Sie noch etwas erzählen, was wir Sie nicht gefragt haben?

RP: Über meinen Vater?

PM: Nein, generell. Ob Sie noch irgendetwas erzählen wollen?

RP: Ob so etwas nochmal passieren kann? Was meinst du?

PM: Das ist auch eine interessante Frage.

TK: Vielleicht sage ich es auf Hebräisch. האם יש עוד משהו שפספסנו או שאתה רוצה עוד לספר? [hebräisch: Gibt es noch etwas, was wir vergessen haben, oder was du noch erzählen möchtest?]

RP: Ob ich noch etwas erzählen will? Das kann ich morgen, aber… [Lacht.] Wir haben fast alles.

PM: Dann vielen, vielen Dank für das Interview.

RP: Gerne geschehen! Danke dir, Tamar auch.

PM: Nichts zu danken!

[Ende des Interviews.]